Was lässt sich von einer Straße erinnern, die aus dem Stadtbild getilgt wurde? Und wie? Dieser Frage ging das Medienkunst- und Performancekollektiv LIGNA 2023 in ihrer Audio-Installation in der ehemaligen Judengasse nach. Eine ortlose Stimme tönte aus zahlreichen analogen Radios durch die unwirtliche und vernachlässigte Straße „An der Staufenmauer“, die heutzutage Teile der ehemaligen Judengasse überformt. Wie eine flüchtige Architektur verorteten sich fragmentarische Erinnerungen entlang des Straßenzugs. Diese Arbeit bildet die Grundlage für ein weiteres Kapitel der Auseinandersetzung. In Zusammenarbeit mit dem Architekten Marc Grellert bearbeitet LIGNA nun die von Grellert gestalteten VR-Panoramen, welche die Judengasse im Jahr 1861 darstellen. Durch die digitalen Tools wird historische Architektur immersiv erlebbar und bietet neue Möglichkeiten der Erinnerung. In LIGNAs künstlerischem Zugriff wird diese vermeintliche Realität von Stimmen und Textfragmenten heimgesucht. Der Gang durch die Rekonstruktion der Judengasse wird begleitet von Siegfried Kracauers Text Erinnerung an eine Pariser Straße, geschrieben 1930, als die Judengasse schon weitgehend abgebrochen war. Und auch das Echo anderer Stimmen, wie sie sein Onkel Isidor Kracauer zuvor in der Geschichte der Judengasse (1906) aufgezeichnet hat, hallt zwischen den virtuellen Häusern.
LIGNA: Straße ohne Erinnerung
VR-Installation im Goldenen Apfel
Streift denn nicht uns selber ein Hauch der Luft, die um die Früheren gewesen ist? Ist nicht in Stimmen, denen wir unser Ohr schenken, ein Echo der verstummten? Ist dem so, dann besteht eine geheime Verabredung zwischen den gewesenen Geschlechtern und unserem.
Walter Benjamin: Der Begriff der Geschichte (1940)
Text, Regie, Produktion: LIGNA
Stimme: Stephan Wolf-Schönburg
Audio-Design: Rupert Jaud
VR-Panoramen: Mark Grellert
Dauer 6 Minuten
Die Arbeit ist im Goldenen Apfel zu sehen - donnerstags von 14-18 Uhr, samstags und sonntags von 10-17 Uhr. Der Eintritt ist frei.